Meine Corona-Rückholaktion: Erfahrungsbericht von der „Luftbrücke“

Hola! Mein Name ist Adine, ich bin an der Ostseeküste geboren und seitdem quer durch Deutschland und die Welt gezogen. Nach Stationen in Thüringen, dem Erzgebirge, Bremen, Hamburg und Berlin zog es mich nach Buenos Aires, Barcelona und schließlich Bali. Neben meiner Vorliebe für Orte, die mit „B“ beginnen, arbeite ich ortsunabhängig als freie Autorin und Yogalehrerin.

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Die Rückholaktion der deutschen Bundesregierung im Zuge der Corona-Pandemie hat in den letzten Wochen zurecht Schlagzeilen gemacht. Sie gilt als die größte „Luftbrücke“ der Geschichte seit dem 2. Weltkrieg und hat circa 240.000 Deutschen aus 57 Ländern die Rückkehr nach Hause ermöglicht. Und eine der Glücklichen bin ich!

Der Ausbruch der Corona-Pandemie hat viele Leben und den „normalen Alltag“ auf den Kopf gestellt. Die Nachrichten überschlugen sich und wenn wir morgens aufwachten, war die Welt eine andere. Länder schlossen ihre Grenzen, Flüge wurden storniert – da stellte sich für viele Urlauber, digitale Nomaden und Expats die Frage: „Gehen oder bleiben?“

Corona-Rückholaktion nach Deutschland – Hafenufer auf Bali mit Blick aufs offene Meer
Should I stay or should I go? Keine leichte Entscheidung

Ich habe mich in letzter Sekunde entschlossen, aus Bali zurückzukehren. Allerdings war der Flug ein wenig anders als die reguläre Langstrecke mit Qatar … Deswegen möchte ich hier meine Erfahrungen von der Rückholaktion für deutsche Urlauber mit dir teilen!

Lost in Paradise: Warum eine Rückholaktion nach Deutschland?

Als im Februar 2020 langsam klar wurde, dass Corona nicht nur ein regionales Problem in China bleiben würde, war ich schon seit 5 Monaten auf Bali in Indonesien. In den sozialen Medien häuften sich die Berichte von Expats, die Probleme mit ihren Visa-Runs nach Singapur hatten, um ihr Touristenvisum nach 60 Tagen durch Wieder-Einreise zu erneuern. Sogar das trubelige Canggu wurde immer leerer.

Corona-Rückholaktion nach Deutschland – Surfboard-Mietstand in Canggu, Bali

Am 16. März 2020 sprach das Auswärtige Amt dann aufgrund der Covid-19-Pandemie eine weltweite Reisewarnung aus. Mit zunehmenden Ausgangsbeschränkungen, Grenzschließungen und stillgelegten Flughäfen wurde langsam klar, dass das Fenster zur Ausreise immer kleiner wurde. Schon eine Woche später kosteten One-Way-Flüge von Bali nach Deutschland rund 3.000 Euro – also rund das fünffache!

Ohne genaue Zahlen zu kennen, versprach die Bundesregierung: „Es wird keiner zurückgelassen.“ Mithilfe von Reiseveranstaltern und gecharterten Maschinen wurden zunächst stark betroffene Regionen evakuiert. Rund um das balinesischen Neujahr Nyepi am 25. März 2020 machten Gerüchte die Runde, dass auch für Indonesien Flüge geplant werden.

Rückholprogramm oder bleiben: Keine einfache Entscheidung

Ich war im März auf einer Achterbahn der Gefühle. Bis Mitte des Monats war ich mir sicher, dass ich auf Bali bleiben und diese „kleine Krise“ aussitzen würde. Wenn schon Quarantäne, dann doch lieber in den Tropen!

Corona-Rückholaktion nach Deutschland – Gesperrter Strand in Canggu, Bali
Gesperrter Strand auf Canggu

Doch als die Touristen gingen, kam die Panik:

  • Wie wird sich auf Bali alles entwickeln?
  • Was passiert mit einer Insel, die von heute auf morgen arbeitslos wird?
  • Wird die Kriminalität steigen?
  • Was ist mit den Krankenhäusern in einem Schwellenland?
  • Werden wir genug zu essen haben?

Genauso wie tausende andere Expats hatte ich eine Entscheidung zu treffen: jetzt gehen oder auf unabsehbare Zeit bleiben. Im Gegensatz zu vielen meiner Freunde, entschloss ich mich zu gehen, solange es noch möglich ist.

Die Ausreise planen: Ein Genie überblickt das Chaos

Für die Rückholaktion musste ich mich zunächst in der Krisenvorsorgeliste ELEFAND „Elektronische Erfassung von Deutschen im Ausland“ registrieren. Die Anmeldung musste jeden Tag erneuert werden, bis eine Möglichkeit zur Ausreise gefunden war. Per Mail wurde ich über die Rückholflüge informiert und buchte am 29. März 2020 meinen Flug von Bali nach Frankfurt mit Condor für pauschale 99 Euro Anzahlung – Komplettpreis noch ungewiss!

Wie sollte es aber mit den zunehmenden Beschränkungen in Deutschland nach der Ankunft weitergehen? In unzähligen Telefonaten mit dem Auswärtigen Amt, dem Bundesgesundheitsministerium und dem Ordnungsamt wurde klar, dass keiner genau weiter wusste.

Von „Das Wichtigste ist, dass Sie erstmal ins Land kommen, egal was dann passiert.“ bis „Sie machen sich strafbar, wenn Sie ohne festen Wohnsitz herkommen, warten Sie bis nach Ostern.“, war alles dabei! Schließlich stellte sich heraus, dass die Weiterreise zu Familienmitgliedern ersten Grades glücklicherweise auch ohne Quarantäne erlaubt sei.

Flug von Bali nach Frankfurt: Schutzanzüge und Käsesandwich

Am 31. März 2020 verstaute ich das Wichtigste in den erlaubten 20 Kilogramm Aufgabegepäck. Der Vibe auf Bali war bereits merklich verändert und meine letzten Zweifel lösten sich in Luft auf, als die Strände geschlossen wurden. Ungewissheit schwebte in der Luft und selbst die entspannten Balinesen wirkten verunsichert. Und so ging es los:

1. Von Canggu zum Flughafen in Denpasar

Corona-Rückholaktion nach Deutschland – Autofahrt nach Denpasar

Ketut, der Fahrer meines Vertrauens, und unser Haushälter Ketut Nr. 2 (ja, der Name ist auf Bali sehr beliebt …) brachten mich auf leeren Straßen in nur 15 Minuten von Canggu zum Flughafen. Jeder, der den Weg kennt, weiß, dass das normalerweise selbst nachts um 3 Uhr nicht möglich ist und man bei normalem Betrieb bis zu zwei Stunden einplanen muss!

2. Gähnende Leere am Flughafen Ngurah Rai

Abstand halten war im Flughafen selbst kein Problem, weil außer den zurückreisenden Deutschen kaum andere Touristen unterwegs waren. Auf den Anzeigetafeln war fast jeder Flug storniert und gesperrte Sitze sorgten dafür, dass niemand zu eng zusammensitzt.

Corona-Rückholaktion nach Deutschland – Departure Gate am balinesischen Flughafen Ngurah Rai
Jede Menge Platz am Flughafen Ngurah Rai

3. Beinfreiheit und Lunchpakete im Flugzeug

Essen und Sitzplätze konnte man während der Buchung leider nicht reservieren, aber ich hatte beim Check-in Glück und bekam einen Sitz in der ersten Reihe mit extra viel Beinfreiheit. Mit einer Stunde Verspätung ging es um 19 Uhr Ortszeit dann los in Richtung Bangkok.

Corona-Rückholaktion nach Deutschland – Check-in am Flughafen Ngurah Rai
Corona-Rückholaktion nach Deutschland – Viel Beinfreiheit im Flugzeug

Nach ein paar Minuten holte mein Sitznachbar eine Pizza aus dem Handgepäckfach und verkündete, er habe gehört es gäbe auf den Flügen nichts zu essen, deswegen hatte er vorgesorgt! Der erste Schock wurde dann zum Glück durch eine leckere Laugenecke, einen Apfel und einen Mini-Schokoriegel aufgefangen.

Ansonsten war die Stimmung im Flugzeug entspannt. Ich hatte das Gefühl, dass sich meine Mitreisenden angesichts der skurrilen Lage genau wie ich in Akzeptanz übten und versuchten das Positive in der Situation zu sehen.

3. Zwischenstopp in Thailand

Bei dem einzigen Zwischenstopp zum Tanken und Crew-Wechsel in Thailand wurde es ein wenig gruselig. Reinigungspersonal in Ganzkörper-Schutzanzügen ging zum Desinfizieren durch das Flugzeug, man fühlt sich ein bisschen wie in einem schlechten Zombie-Film.

Corona-Rückholaktion nach Deutschland – Lunchpaket auf dem Flug von Bali nach Bangkok
Verhungern mussten wir nicht auf dem Flug nach Bangkok
Corona-Rückholaktion nach Deutschland – Lunchpaket auf dem Flug von Bangkok nach Frankfurt
Die Verpflegung sollte uns wohl schon mal auf Deutschland einstimmen …

Mehr zu essen gab es dann auch: zwei Lunchpakete mit pappigen Käse-Wurst-Sandwiches, Apfel, Wasser und Müsliriegel. Bis heute frage ich mich, ob es wegen der geschlossenen Flughäfen auch kein Catering mehr gab oder ob das eine Sparmaßnahme war …

5. Gähnende Leere am Flughafen in Frankfurt

Mit einer Stunde Verspätung und nach 3 Äpfel und 3 Sandwiches landeten wir nach rund 17 Stunden um 06:30 Uhr morgens am Frankfurter Flughafen, wo uns beim Aussteigen schon das ZDF erwartete. Auch hier stand das internationale Drehkreuz – mit rund 200.000 Passagieren pro Tag in Hochzeiten – still.

Corona-Rückholaktion nach Deutschland – Flughafen Frankfurt, Außenansicht von einem gelandeten Flugzeug
Ankunft in Frankfurt

6. Bahnfahrt durch ein Geisterland

Das Flugticket des Rückholprogramms galt gleichzeitig als kostenloses Bahnticket nach Hause, weshalb ich mich direkt nach Ankunft auf die Suche nach dem nächsten Zug machte. Wegen des ausgedünnten Corona-Fahrplans gar nicht so einfach. Allerdings bin ich noch nie morgens in einem ICE mit nur einem weiteren Passagier im ganzen Waggon gefahren!

Corona-Rückholaktion nach Deutschland – Adine mit vermummtem Gesicht
Der Temperatursturz zwischen Bali und Frankfurt war gewöhnungsbedürftig

Also war warten in menschenleeren Bahnhöfen bei 30 Grad Temperatursturz und in Bali-Klamotten angesagt. Ich setzte auf das Zwiebelprinzip: Stützstrümpfe, Wollsocken, Turnschuhe, Yoga-Leggins, weite Hose, Unterhemd, langes Shirt, Pulli und Jeansjacke, Halstuch, Maske und darüber eine Decke.

Rückholaktion Kosten: Keiner weiß nichts Genaues

Die Kosten der Rückholaktion des Außenministeriums sind noch immer nicht geklärt. Schätzungen liegen zwischen 50 und 100 Millionen. Bei Buchung des Rückholfluges musste jeder Passagier bereits eine Anzahlung von 99 Euro leisten. Dazu wurde eine weitere Kostenbeteiligung in Höhe eines Economy-Tickets angekündigt. Bislang habe ich dazu aber noch keine Infos.

Update Oktober 2020: Mittlerweile habe ich die Rechnung für den „Ersatz der Auslagen für Rücktransport nach Deutschland gemäß §§ 5, 6 Konsulargesetz“ über weitere 500 Euro vom Auswärtigen Amt bekommen. Gefühlt erschien mir der Gesamtbetrag von 600 Euro unter der Ankündigung „günstiger Economy-Flug“ etwas hochgegriffen. Deswegen habe ich eine kleine Umfrage in der Digitale-Nomaden-Community auf Facebook gestartet. Wie es aussieht mussten alle für ihren Rückflug aus der Region Asien (im weitesten Sinne) das Gleiche bezahlen. Und ich muss auch sagen, stünde ich wieder vor der Wahl, würde ich in jedem Fall fliegen!

Mein Fazit: Danke, Deutschland – Rückholaktion erfolgreich!

Das Leben findet statt, während wir dabei sind, Pläne zu schmieden. Meine Freunde auf Bali bleiben im Moment weitestgehend zu Hause und die Strände sind immer noch geschlossen. Allerdings werden die Restaurants und Cafés langsam wieder geöffnet, da die offiziell gemeldeten Fallzahlen glücklicherweise gering sind.

Obwohl für mich alles anders gekommen ist als gedacht, bereue ich es nicht, zurückgekommen zu sein. 25 Stunden war ich insgesamt unterwegs und bin damit viel schneller zu Hause gewesen als viele meiner Freunde. Um in ihre jeweiligen Heimatländer zu kommen, mussten sie teilweise 5 Mal umsteigen und waren über 40 Stunden unterwegs!

Die „Corona-Luftbrücke“ war ein beispielloser und unbürokratischer Kraftakt der Bundesregierung, der mir einmal mehr bewusst gemacht hat, welches Privileg es ist, die deutsche Staatsbürgerschaft zu besitzen.

Viele meiner Freunde hatten keine Wahl sich in Zeiten einer Pandemie für den Aufenthalt in einem Erste-Welt-Land zu entscheiden. Ich bin sehr dankbar dafür, dass ich die Gelegenheit hatte und jetzt bei meiner Familie sein darf – mit 2 Meter Abstand und Mund-Nase-Schutz natürlich.

Deine Expertin
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Adine Stahn

Hola! Mein Name ist Adine, ich bin an der Ostseeküste geboren und seitdem quer durch Deutschland und die Welt gezogen. Nach Stationen in Thüringen, dem Erzgebirge, Bremen, Hamburg und Berlin zog es mich nach Buenos Aires, Barcelona und schließlich Bali. Neben meiner Vorliebe für Orte, die mit „B“ beginnen, arbeite ich ortsunabhängig als freie Autorin und Yogalehrerin. Mehr über Adine Stahn

Hola! Mein Name ist Adine, ich bin an der Ostseeküste geboren und seitdem quer durch Deutschland und die Welt gezogen. Nach Stationen in Thüringen, dem Erzgebirge, Bremen, Hamburg und Berlin zog es mich nach Buenos Aires, Barcelona und schließlich Bali. Neben meiner Vorliebe für Orte, die mit „B“ beginnen, arbeite ich ortsunabhängig als freie Autorin und Yogalehrerin. Mehr über Adine Stahn

1 Kommentar

    Hi Adine,

    Danke dir für den tollen Artikel!
    Mir ging es ganz damals ganz genauso: Wir waren auf Bali und wollten eigentlich länger verweilen – während man sich Mitte März noch sicher war, dass man bleiben wird, haben sich dann gegen Ende des Monats die Ereignisse überschlagen. Die gleichen Fragen und Sorgen, welche du nennst, sind auch bei uns dauernd in unseren Köpfen gekreist und letztendlich haben wir uns dann auch dazu entschieden wieder zurück zu fliegen.
    Es war gerade so spannend zu lesen, dass es dir exakt genauso ging – Danke fürs Teilen.

    Liebe Grüße

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